Lok Rhein: Ursachenforschung zum gescheiterten Bergungsversuch abgeschlossen

Nachuntersuchungsbericht zur Aufklärung der Ursache für die gescheiterte Bergung der Keßlerlok 205 am Kopf der Buhne 527 unterhalb von Germersheim

1. Im Ergebnis einer Krisensitzung aller am Bergungsvorhaben Beteiligten am 1.10.2018 in Mainz waren die Bergungsaktivitäten der OHF am 2.10.2018 eingestellt worden. Das Suchteam verpflichtete sich, sofort noch in der Phase des Rückbaus mit Nachuntersuchungen zur Klärung der Ursache für die erfolglose Bergungsoperation zu beginnen. 

2. Alle von der OHF durchgeführten Operationsschritte erfolgten wunschgemäß nach den Vorgaben einer schonungsvollen Bergung des gesuchten Objektes. Zusätzliche Sondierungen und das über das Sollmaß vorgenommene tiefere Ausheben des Kieses brachten weder Anzeichen für das Vorhandensein der Lok am vorgegebenen „Fundpunkt“ noch einen Anhaltspunkt für die Ursache der an der Oberfläche (auf dem Wasser) gemessenen geomagnetischen Anomalie. 

3. Da nach eingehender Überprüfung weder ein Lage- noch ein Einmessfehler für den angegebenen Bergungspunkt festgestellt wurde, konzentrierten sich die Nachuntersuchungen auf die Frage nach bisher unbekannten Besonderheiten am bzw. unter dem Fuße des Buhnenkopfes. Zu suchen war insbesondere nach magnetisch wirksamen Gesteinsbrocken („Fremd“-Material“, das zusammen mit dem üblichen aus dem Hunsrück-Taunus-Quarzit-Rücken stammenden Buhnen-Material verklappt worden sein könnte), die beim Ausbringen des Kieses wegen ihrer „geringen“ Größe nicht aufgefallen waren. Es war im übertragenen Sinne die Suche nach einem unter dem Buhnenkopf im Kies eingelagerten Ersatzmaterial, das die Anwesenheit der gesuchten Lok vorgetäuscht haben konnte.

4. Die Tiefenlage des jetzt zu suchenden magnetisch (hochwirksamen) Ersatzmaterials war aus der gefundenen geomagnetischen Anomalie eindeutig ermittelt worden. Sie betraf die oberen Meter des Kiesbettes unter dem Fuße des Buhnenkopfes der Buhne 527 zwischen 91 – 87 m üb. NN, in denen ja die Lok vermutet wurde. Deshalb bestand die gut begründete Aussicht, dieses zuletzt ausgehobene Material vor dem Rückbau noch im oberen Bereich des ausgebrachten Schüttgutes wiederzufinden. 

5. Da die Rückbauaktivitäten durch die Nachuntersuchungen auf dem Schüttmaterial nicht merklich behindert werden durften, waren nur stichprobenartige Messungen möglich. Es muß als ein Glücksfall gewertet werden, daß mit Hilfe unseres Sponsors, der Firma „analytec Dr. Steinhau“ (Chemnitz), am 8./9.10.2018 einige Dutzend magnetisch sehr auffälliger Gesteinsbrocken nachgewiesen wurden, die oben auf den Schüttbergen bzw. abgerollt an deren Flanken anzutreffen waren und die sich auch ihrem äußeren Habitus nach deutlich von dem üblichen Buhnenmaterial (Quarzit) abhoben. Ein Küchen- oder Büro-Magnet haftet daran selbst an senkrecht verlaufenden Flächen. 

6. Die jetzt notwendigen petrologisch/petrophysikalischen Untersuchungen erfolgten dankenswerterweise durch Prof. Dr. Ernstson (Uni Würzburg), Prof. Dr. Stanek und Dr. Käppler (TU Bergakademie Freiberg) und erbrachten folgendes Ergebnis: 

  • Gesteinsansprache: magnetitreicher Gabbro
  • Schockbeanspruchung: nicht vorhanden
  • magnetische Suszeptibilität: 0,12 – 0,17
  • Dichte: 3,1 g/ccm
  • Magnetit-Gehalt: 5 – 10 %

 

7. Mit den oben angegebenen Kennwerten läßt sich abschätzen, daß für die an der Oberfläche gemessene geomagnetische Anomalie ein Pulk von etwa 1500 Gabbro-Brocken von ca. 15 kg Einzelgewicht ausreicht, um genau diese Anomalie zu erzeugen. Zum Vergleich heranzuziehen ist eine Abschätzung der Anzahl der in der Buhne verbauten Quarzit-Buhnenstein: 15000. Hier scheint der  eher  seltene Fall vorzuliegen, daß  – aus welchen Gründen auch immer *) – etwa 10 % anderes (fremdes) Buhnenmaterial mit verklappt worden ist, dessen Herkunft jetzt natürlich auch noch aufgeklärt werden sollte.

*) Daß dies nicht der Regelfall sein konnte, wurde schon 2009 gleich nach der Erstmessung auf dem Wasser festgestellt, als die beiden zur Buhne 527 benachbarten Buhnen 525 und 529 untersucht und als magnetisch völlig unauffällig eingestuft wurden.

8. Zu diesem Zweck wurden verschiedene Steinbrüche im Hunsrück und im Odenwald konsultiert, die auch schon in der Vergangenheit Material für den Wasserbau geliefert hatten. Von besonderem Interesse waren Gabbro-Vorkommen im Frankenstein-Komplex des vorderen (oder kristallinen) Odenwalds. Eine Probenahme vor Ort ermöglichte schließlich einen Abgleich mit dem wahrscheinlich unter dem Fuße des Buhnekopfes im Kies eingelagert gewesenen Ersatzmaterial. Übereinstimmung mit den o. g. Kennwerten in engen Grenzen legen die Vermutung nahe, daß dieses Ersatzmaterial aus einer jener auch dort nur selten vorkommenden lokalen eisenerzreichen Gabbro-Partien aus Steinbrüchen des Odenwalds stammt (s. auch 10.).

9. Diese plausibel erscheinende Hypothese als Ursache für den gescheiterten Versuch, die Lok zu bergen, kann wahrscheinlich in Zukunft durch weitere Detailuntersuchungen verdichtet werden. Das Suchteam erachtet es jetzt jedoch als wichtiger, insbesondere auch unter dem Eindruck der vielen aufmunternden Zuschriften, die Suche nach der Lok im Rhein nicht aufzugeben, vor allem aber in der Verantwortung gegenüber allen Sponsoren, der Agentur BARTENBACH, dem SWR,  der OHF, dem Fotoverlag HERDAM und den vielen  Lok-Begeisterten, die wir bisher mitgenommen haben, eben dieses Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Die überwiegende Wertschätzung der bisherigen Ergebnisse bei der Suche nach der Keßler-Lok 205 und die nicht abzuweisende Aussicht, diese Lok eines Tages doch noch zu finden und zu bergen, erzeugen eine starke Motivation, das Projekt „Lok im Rhein“ beim Schirmherrn, dem Eisenbahnmuseum Darmstadt-Kranichstein, fortzuführen. Erste konkrete Schritte in dieser Richtung sind bereits im Gange.

10. Zu den magnetischen Eigenschaften des Frankenstein-Komplexes gibt es aufschlußreiche Beiträge im Internet, z. B.:

 

Auch der SWR berichtete über die Ergebnisse der Untersuchungen: https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/Versunkene-Lok-im-Rhein-Warum-wurde-die-Lok-nicht-gefunden,av-o1079669-100.html

Ergänzungen der Ursachenforschung zum gescheiterten Bergungsversuch (12.5.2019)

1. Seit dem Abschlussbericht zur Ursachenforschung Ende 2018 ist fast ein halbes Jahr vergangen. In diesem Zeitraum sind weitere wichtige Details zur Aufklärung der Ursache für den gescheiterten Bergungsversuch ermittelt worden, die ein vertieftes Verständnis des bedauerlichen Misserfolges liefern. 

2. Im Zuge der seit der Rheinbegradigung im 19. Jahrhundert nachfolgenden Rheinregulierung im 20. Jahrhundert sind 1928 bei Germersheim 91 Grundschwellen in die ufernahe Grundsohle des Rheins eingebaut worden (interner Bericht der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Mainz von 1967; dankenswerterweise von Herrn Heinz Blaschke, Mainz recherchiert), die aus sog. Senkfaschinen bestehen. Das sind ca. 8 m lange, knapp 1 m dicke „mit schweren Steinen gefüllte Hüllen aus Faschinen, mit Draht umschnürt“ (u. a. Frankfurter Zeitung vom 17. 2. 1928; dankenswerterweise von Herrn Dieter Schaub, Heidesheim recherchiert).

3. In der SWR-Landesschau am 24.9.2018 sind Faschinenreste vermischt mit Buhnensteine gezeigt worden, wie sie bei den Testarbeiten zum Absaugen des Kieses am vermuteten Lageort der Lok unter der heutigen Buhne 527 in der Nähe des eingesetzten Saugrohres mit gefilmt worden sind. Daraus ergibt sich die naheliegende Schlussfolgerung, daß als Kernsteine dieser Senkfaschinen die beim Rückbau angetroffenen magnetitreichen Gabbro-Brocken aus dem kristallinen Odenwald infrage kommen.

4. Mit diesen o. g. Indizien scheint sich vorerst die Kausalkette zu schließen, wonach als Ursache für die gemessene geomagnetische Anomalie am Buhnenkopf der Buhne 527 alte Senkfaschinen mit stark magnetisch wirksamer Gabbro-Füllung anzusehen sind, die lange Zeit später womöglich zufällig von der heutigen aus einer Quarzitsteinschüttung bestehenden Buhne überbaut worden sind.

5. Das Suchteam hatte sich aber nicht nur verpflichtet, die Ursachenforschung voranzubringen, sondern auf der Grundlage der seit 1987 betriebenen Archivrecherchen weitere Anstrengungen zu unternehmen, die versunkene Lok doch noch zu finden. Inzwischen haben jüngste geophysikalische Messungen neue aussichtsreiche Meßdaten geliefert, deren erste positive Bewertung durch Wiederholungsmessungen zunächst noch untermauert werden muss.

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